Bereitschaft und Akzeptanz – Mein inneres Ja

Letztens bin ich (wieder einmal) beim Lesen auf das Gedicht „Dies Menschsein ist ein Gästehaus“ von Rumi gestoßen. Ich habe mich sehr gefreut, weil ich es ein schönes „Remembering“ zum Einstieg in das neue Jahr finde. Mit diesem Gedicht und meinen Gedanken dazu wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein bereicherndes neues Jahr!

Dies Menschsein ist ein Gästehaus.

Dies Menschsein ist ein Gästehaus.
An jedem Morgen eine neue Ankunft.Rumi
Eine Freude, eine Melancholie, eine Niedertracht,
ein kurzes Gewahrsein,
kommen als unerwarteter Besuch.

Heiß sie willkommen und nimm alle auf!
Und seien sie auch eine Horde von Sorgen,
die mit Gewalt das Haus durchfegen,
der Einrichtung berauben,
auch dann, geh redlich mit jedem Gast um.

Vielleicht räumt er Dich frei
für eine neue Wonne.
Den dunklen Gedanken, die Scham, die Tücke,
begrüße sie an der Türe, lachend,
und bitte sie herein.

Sei dankbar für jeden, der kommt,
weil jeder geschickt ist
als ein Wegweiser vom Jenseits.

Rumi (1207-1273, persischer Dichter)

Das Gedicht erinnert mich daran, mein inneres Erleben anzunehmen und bereit zu sein, damit umzugehen – eine wahrlich nicht leichte Aufgabe, finde ich, insbesondere wenn es um schmerzliche Gefühle geht, angstvolle Gedanken, Hilflosigkeit o.ä. Der innere Mechanismus, sie wegzudrängen, nicht wahrnehmen zu wollen und zu überdecken mit Ablenkungen, ist sehr stark und sehr eingespielt – so eingespielt, dass man die Verdrängung oft nicht mal merkt. Oder man verliert sich völlig darin, lässt sich ganz von ihnen vereinnahmen, verliert sich im Drama. Beides kostet viel Energie, Verdrängung und Drama. Da wundert man sich dann, warum man so kraftlos ist …

Seit ich die Gewaltfreie Kommunikation kennen gelernt habe, kenne ich zum Glück einen hilfreichen, übersichtlichen Weg, wie ich mit diesen Gefühlen und Gedanken umgehen kann. Wenn ich anfange, sie in Beobachtung, Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse zu sortieren, werden sie handhabbar und ich gewinne Abstand zu ihnen. Dann merke ich, dass sie nicht ich, sondern nur ein Teil von mir sind. Und spätestens beim Bedürfnis bin ich ganz bei mir angekommen, genieße die Entspannung und das lebendige Fühlen und kann mir das, was mich vorher so groß auszufüllen schien, von außen anschauen und ziehen lassen.

Wenn es gelingt, so immer und immer wieder mit schmerzlichen Gefühlen und Gedanken umzugehen, gewinnt man viel Vertrauen in das innere Erleben und die eigene Fähigkeit, damit umzugehen. Und damit kann es auch gelingen, beides in sich zu halten: Akzeptanz und Bereitschaft für all mein inneres Erleben – bis der nächste dicke Auslöser kommt und ich mich wieder daran erinnern muss, z.B. durch so ein Gedicht …

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