Die ACT – Akzeptanz- und Commitment-Therapie – ist eine Form der Verhaltenstherapie, die aus meiner Sicht mit der Gewaltfreien Kommunikation sehr harmoniert. Derzeit lese ich das Buch „ACT leicht gemacht. Ein grundlegender Leitfaden für die Praxis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie“ von Russ Harris und habe darin die Grafik des ACT-Hexaflex gefunden, des Diamanten der psychischen Flexibilität. In dieser Grafik finde ich all die Elemente auf eine klare und übersichtliche Form zusammengestellt, die auch in der Gewaltfreien Kommunikation essentiell sind und sich in den vier Schritten widerspiegeln.
Quelle: Russ Harris: „ACT leicht gemacht. Ein grundlegender Leitfaden für die Praxis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie“, arbor-Verlag 2011, S. 26
In unseren Ausbildungsgruppen machen wir, neben der Anwendung und Integration der vier Schritte, viele Übungen und Meditationen, um diese sechs Elemente zu trainieren und in die eigene innere Haltung zu integrieren. Ich stelle hier die sechs Elemente kurz vor und skiziere, wie sie sich in der Gewaltfreien Kommunikation wiederfinden, (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
- Kontakt mit dem jetzigen Moment – im Hier und Jetzt sein:
Die psychische Präsenz im Hier und Jetzt und das bewusste Wahrnehmen dessen, was im gegenwärtigen Moment passiert, spiegelt sich z.B. beim zweiten und dritten Schritt wider: „Wie fühle ich mich jetzt?“, „Was brauche ich jetzt?“. Selbst wenn wir in der Selbstempathie Situationen betrachten, die schon vorbei sind, fokussieren wir uns darauf, welche Gefühle jetzt in mir aufsteigen, wenn ich mich an die Situation erinnere, und welche Bedürfnisse jetzt für mich dazu relevant sind. Und dann schauen wir, welche Bitte jetzt für mich da ist und was jetzt passieren kann, damit mein Bedürfnis genährt wird. Denn das Leben findet jetzt statt und nicht in Vergangenheit oder Zukunft und jetzt kann ich für meine Bedürfnisse sorgen. - Akzeptanz – sich öffnen:
Mich dem öffnen und das akzeptieren, was in mir ist und was im anderen ist, ist ein grundlegender Wert der Gewaltfreien Kommunikation. Gefühle als wichtige Botschafter der Bedürfnisse zu sehen hilft mir, meine Gefühle anzunehmen auch wenn sie unangenehm sind. Und hinter allen Handlungen Bedürfnisse als guten Grund zu sehen hilft mir, offen zu bleiben und sowohl mich selbst zu akzeptieren als auch mein Gegenüber als Menschen anzunehmen, auch wenn mir seine/ihre Handlungen überhaupt nicht gefallen oder sie meinen Werten widersprechen. Die grundlegende Akzeptanz des Menschen, seiner Bedürfnisse und Gefühle bildet die Grundlage dafür, nicht in die Eskalation zu gehen, sondern in die Verbindung und von dort Wege zu suchen, die allen Beteiligten entsprechen. - Kognitive Defusion – Gedanken beobachten:
Den Fluß an Gedanken, Bewertungen und Interpretationen, der ständig in mir abläuft, nennen wir in der Gewaltfreien Kommunikation auch die „Wolfsshow“. Ich erinnere mich noch gut, dass Marshall Rosenberg immer wieder gesagt hat: „Dem Wolf zuhören – und ihm nicht glauben“. Dazu braucht es genau die Fähigkeit, nämlich diese Gedanken zu beobachten, aber nicht mit ihnen zu verschmelzen. Wenn ich jemanden empathisch begleite, spiegele ich Gedanken zumeist mit der Einleitung „Und dazu denkst du …“ oder „Da sagst du dir …“, um dazu einzuladen, aus der Verschmelzung mit den Gedanken herauszutreten und sie zu beobachten, um dann mit der Aufmerksamkeit in Richtung der vier Schritte zu gehen. - Selbst als Kontext – Reines Gewahrsein:
Hier geht es um die Unterscheidung des denkenden Selbst und des beobachtenden Selbst. Das denkende Selbst kennen wir alle zumeist sehr gut, da es in den meisten von uns ständig sehr aktiv ist. Das beobachtende Selbst ist etwas, was wir erst bewusst kennen lernen müssen, z.B. durch Meditations- oder Achtsamkeitsübungen. Aus meiner Erfahrung trägt es viel zu Gelassenheit, Freiheit und innerem Frieden bei, wenn ich meine Fähigkeit trainiert habe, mir meiner Gedanken bewusst zu sein und dann zu entscheiden, wie ich auf die Situation im Außen reagieren will.
Meine Gedanken zu beobachten und nicht mit ihnen zu verschmelzen ist u.a. die Grundlage für den ersten Schritt der Gewaltfreien Kommunikation, der Beobachtung. Um meine Beobachtung von meinen Gedanken, Interpretationen und Bewertungen unterscheiden zu können, brauche ich die Fähigkeit, meine Gedanken wie als Beobachter*in wahrzunehmen, innerlich wie einen Schritt zurückzutreten und wahrzunehmen, was ich zu einer Situation denke und das davon zu unterscheiden, was ich beobachte. - Werte – wissen, was zählt
In der Gewaltfreien Kommunikation verwenden wir hierfür den Begriff der Bedürfnisse. Was ist wichtig für mich? Welche Qualitäten möchte ich in meinem Leben leben? Wofür will ich mich einsetzen? Die Ebene der Bedürfnisse ist für mich der Kern, der Schatz der Gewaltfreien Kommunikation. Hier entsteht Verbindung, da wir Menschen alle dieselben Bedürfnisse haben, auch wenn wir oft sehr unterschiedliche Strategien haben, wie wir unsere Bedürfnisse erfüllen wollen. Doch wenn wir unseren Fokus darauf lenken, was uns wichtig ist, kann Verbindung entstehen und die gemeinsame Lösungssuche. - Engagiertes Handeln – Tun, was wichtig ist:
Diesen Punkt adressiert die Bitte, der vierte Schritt der Gewaltfreien Kommunikation. Wenn ich weiß, um welche Bedürfnisse es mir geht, was mir wichtig ist, dann überlege ich mir im nächsten Schritt, was ich dafür tun will (Bitte an mich selbst) oder was eine andere Person für mich tun könnte (Bitte an den Anderen), konkret, positiv, machbar im Hier und Jetzt. Und ich kann mich für das einsetzen, was mir wichtig ist – flexibel in den Strategien und gleichzeitig hartnäckig für die Bedürfnisse gehen.
Dann geht es manchmal auch um Selbstdisziplin. Selbstdisziplin in dem Sinne, dass, wenn mir was wichtig ist, es vielleicht ein engagiertes Handeln von mir braucht, das mir nicht leicht fällt, das nicht immer nur Freude macht. Zu dem, dass das trotzdem Spiel sein kann, wenn ich mit meinen Bedürfnissen verbunden bin, habe ich im Mai 2015 einen anderen Blogartikel geschrieben: „Tue nichts, das nicht Spiel ist …“
Alle diese Elemente sind natürlich miteinander verschränkt und ergänzen und beeinflussen sich gegenseitig. Und alle zusammen tragen zu einer psychischen Flexibilität bei, die eine wichtige Voraussetzung für gewaltfreies Handeln ist. Denn erst aus ihr können wir wählen, bewusst wählen, das zu tun, was uns wichtig ist, in Harmonie mit unseren Bedürfnissen und in Achtsamkeit auf die Bedürfnisse unserer Umgebung.